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Geschichten vom Opernsofa  

Meisterstunden auf dem Opernsofa

Zuerst muss ich dieses Sofa beschreiben: es ist voller Rosen, dunkelrot in weinrot in hellrot, Ton in Ton, passend zu den Tönen der schönsten Musikgeschichten, die ich kenne. Dazu hat es Löwenfüße. Jawohl. Es ist so groß, dass erwachsene Menschen, wenn sie sich normal gegen die Rückenlehne lehnen, mit den Füßen grad an den Rand reichen. Das hat den Vorteil, dass zwei Opernbegeisterte längs nebeneinander liegen können, die Köpfe unter einer Leselampe, die Füße gen Fenster mit Blick auf viel Himmel und die Kieler Förde und davor eben der kleine Fernseher, der die großen Opernbühnen dieser Welt ins Wohnzimmer bringt. Außerdem ist genug Platz für Karl und Emma, zwei Katzengeschwister mit erlesenem Musikverstand, Kaffeebecher, Schokolade, Salzstangen, Rotweingläser, Strickzeug, Kissen und drei Ikeateddys (rot, blau, gelb).

Wie jede Liebesgeschichte ist meine Liebe zu Opern ist eine sehr persönliche. Begonnen hat sie während einer sich grad zu Ende neigenden Liebestragödie, und ich beschloss, die Wochenenden lieber mit dem Fernseher als mit dem Liebsten zu verbringen. Deprimiert vor mich hin zappend landete ich in einer Fernsehansage zu einem Jahrhundertereignis, reagierte blitzschnell und startete den altersschwachen Video. Es war der Chereau-Ring. Mitten in die Liebesleiden fielen sie ein: die Wagner-Welten, in denen sich die von klein auf geliebten Sagenhelden und schönen Maiden bekannt und doch ganz anders tummelten. Mich ergriffen ungeahnte Tiefen und Weiten eines sich eröffnenden Kosmos, der mich bis heute begeistert, entführt und gleichzeitig zu mir bringt wie kaum eine andere Kunst es vermag.

Meine Dankbarkeit ist wo groß wie mein Respekt wie meine Bewunderung. Für das Schöpfungsgenie sowieso, aber auch für die Menschen, die diese Kunst kongenial für uns immer wieder lebendig machen. Und für den lieben Gott, weil er uns Menschen zusätzlich zu allem auch den Verstand gab, das Fernsehen zu erfinden und Opernfilme zu drehen. Grund eins: Das Leben mit drei Kindern und einer kleinen Buchhandlung lässt wenig Zeit und Geld, von Opernhaus zu Opernhaus zu jetten. Grund zwei: das bequeme Sofa, das mir zudem erlaubt, wie, wann, mit wem und so oft ich will meine Opern zu genießen. Grund drei: ich schwelge in dem Beziehungsreichtum von Wort, Bild und Musik. Es ist ein Fest für Auge, Ohr, Herz und Verstand. Die drei Erfahrungsebenen feiern zusammen ein Fest, das im Grunde gar nicht erzählbar ist.

Dennoch bestehen die Wege dahin und dadurch aus nachvollziehbaren Schritten. Ich rüstete mich mit Libretti, Operngeschichten, Sänger- und Bühnengeschichten. Ich sammelte Musikkonserven und nutzte schamlos Musikverstand und Musikregale meiner Freunde, die sich schon länger in diesen Welten bewegten. Ich begab mich in den Mainstream der großen Opernaufzeichnungen.

Dabei gibt es dann das Phänomen, dass die erste begeisternde Inszenierung einer Oper immer einen besonderen Platz im Herzen behält. Sie ist der Türöffner zu dem Werk, die erste konkrete Erfahrung. Und wenn man, wie ich es liebe, sie immer wieder und wieder sieht und hört, wird sie familiär. Ein Zuhause. (Andere Aufführungen müssen sich dann an ihr messen, was gelinde gesagt Schwierigkeiten birgt und rettungstechnisch auf dem Sofa zu einem Tatort und in Opernhäuser zu geschlossenen Augen führen kann).

Nun muss ich erst einmal berichten, dass ich mit einer relativen musikalischen Großzügigkeit gesegnet bin. Soll heißen, ich höre nicht jeden „falschen Ton“ oder bin entsetzt über missglückte Einsätze oder ähnliche Verstöße gegen maßstabsetzende Raster. Eine schlüssige und wahrhaftige Darstellung berührt mich unendlich mehr als perfekter Gesang – wobei Herrn Kesting sagen würde: perfekter Gesang enthält die wahrhafte Berührung (Für Uneingeweihte: Ein Stimmenkenner und Gesangskritiker, seine Ausführungen eine Kür in Wissen und Akribie). Ich also höre mit Alltags-Ohren. Sitze ich mit einem Klavierauszug im Operngenuss, bin ich begeistert, dass ich die Töne den vielen Punkten auf den fünf Linien zuordnen kann. Und mein Verstand weigert sich standhaft, die musikalische Sprache zu semantisieren - Tonarten, Kreuze, TerzQuarteQuinte bleiben mir in der Theorie fern. In der Theorie. Im Gefühl nicht.

Nein, aus der Welt der Literatur kommend sind meine Eintrittskarten die Geschichten. Und als Expertin für Psyche, Seele und Lebensdrama brauche ich Menschen, Gesichter, Gesten und Ausdruck. Als spirituelle Wahrheitssuchende brauche ich Sinn und Herausforderung. Als Sehnsuchtsfrau brauche ich Gefühl. Als mir ständig auf der Spur brauche ich Spiegel. Opern sind ein Antwort. Opern sind ganzheitlich. Das Zusammenwirken von Sprache, Musik und Bühne kann eine Beziehungsvielfalt und Tiefe erreichen, dass der Atem stockt, das Herz bis zum Halse klopft, der Kopf ganz weit wird, die Tränen fließen, Lachen bis über die Wolken purzelt und in Sternstunden die Zeit stehen bleibt … Stille …

Zurück zu dem Familiären. Natürlich sind die Sänger und Sängerinnen meiner Lieblingsopern meine Freunde. Ach was, „Freunde“ - Mütter, Väter, Schwestern, Brüder, Kinder, Lieblingsfeinde und Lieblingsliebste! Alles. Das ist eine Gradwanderung, denn ich kenne sie ja nur in Rollen. Ich weiß ich weiß, das ist letztlich auch im richtigen Leben so. Aber die Bühne und dann noch der Bildschirm brechen die Nähe-Distanz-Übung noch um einiges mehr. Denn wenn ich mit meinen Favoriten elfundneunzigmal das gleiche Glück und Leid immer wieder neu gestalte und ihnen dann noch durch ihre verschiedenen Inszenierungen folge, gibt es bei aller Intimität auch Gefahr. Nähe kann zu Voyarismus führen, Neugier spielt mit Abwehr. Denn ich weiß gar nicht, ob es mir gut tut, dass der wunderbare Rodrigo aus Don Carlos sich nun Arm in Arm mit einer waschechten Gräfin durch die Bussiwelt von Wien über Mailand bis New York küsst, wo ich doch grad woanders lese, dass er ein so artiger Ehemann und Vater sei.

Andrerseits liebe ich natürlich solche Geschichten wie die, dass Lauritz Melchiors Frau ihm wortwörtlich vom Himmel fällt (ihr Fallschirm verhedderte sich in seinem Apfelbaum) oder Kerstin Flagstadt zwischen ihren Brünhildeinsätzen hinter der Bühne Pullover für die Enkel strickt. Oder Karita Mattila ihrem Mann zum Geburtstag eine Harley per Kran in den siebenten Stock hieven lässt und sich gleich dazu in einer großen Kiste …

Es bleibt nicht aus, dass hinter den Darstellungen der Künstler die Menschen zu spüren sind, die sich auch in einer permanenten Gradwanderung bewegen. Sie bieten sich öffentlich an und wir verleiben sie uns ein. Hier bekommt der Spiegel in seiner Vielschichtigkeit eine Schicht mehr, hinzu kommen Regie, Kostüme, Maske, Kulisse. Das alles macht noch deutlicher, wie unerreichbar andere für uns in der Begegnung bleiben. Außer wir finden die transformierende Ebene: Kunst und Religiosität sind Wege dorthin. Bestenfalls.

Nun, und der beste Fall ist mir in Wagner begegnet. Ja, auch das muss ich gestehen: ich bin eine abgrundtief begeisterte Wagnerianerin geworden. Das führt sogar dazu, dass ich manchmal Tristan und Isolde während der Arbeit hören muss (nun ist es in der kleinen Buchhandlung ja manchmal sehr ruhig ….) Nicht jeden macht das glücklich. Unsere Kunden sind es zwar gewöhnt, dass meist Opernmusik läuft. Aber wenn ein Stammkunde mich mit den Worten begrüßt: Na, Frau Lalowski, heute gar kein Wagner!? muss ich damit rechnen, dass er das voller Erleichterung von sich gibt.

Denn bei Wagner erreicht die Kunstform Oper eine spirituelle Dimension, die einen solchen Spannungsbogen annimmt, dass sich die Geister scheiden. Die einen werden süchtig und die anderen lehnen ihn in Bausch und Bogen ab. Letztere haben ihre Argumente: die Opern zulautzuvielzulangzu … (aber meist noch nie oder nicht wirklich gehört) und der Komponist als Mensch zu egoeitelNazigeldgierigmanischverrückt … (aber sicherlich nicht als Spiegel begriffen). Die Auseinandersetzung mit den Ablehnungs-Argumenten füllt viele Köpfe und viel Papier, man möge sie woanders nachlesen und führen. Ich erwähne und schließe sie gleichzeitig, denn ich finde sie langweilig.

Die Süchtigen haben natürlich auch ihre Argumente. Denen werde ich mich in Folge voller Freude ausführlichst widmen, denn sie führen in alles andere als in Langeweile:

Die Opern Wagners sind ein ganzer Kosmos, und jede wiederum ist eine Welt für sich. Sie sind das Lebenswerk eines Genies, das wie alle Genies dafür lebt, sein Wissen um Kosmos und Welt für uns in Form zu bringen. Hier begegnen wir nicht nur unserem Wissen um Kosmos und Welt, sondern es macht uns weiter. Bricht auf. Erinnert. Heilt. Das gilt für all die Werke, die wir nach EinmalGenuss eben nicht ad acta legen, sondern zu denen wir immer wieder greifen. Goethes Faust. Shakespearedramen. Auch Mozarts Musik ist ein Gruß vom Himmel, und Strauss ist atemberaubende Intelligenz und Psychologie und Verdi ist Drama und Emotion vom Feinsten und sie und die vielen anderen geben uns großartige und berührende Antworten. Ich liebe sie und ich nutze sie.

Wagner ist alles auf einmal. Es ist so ganzheitlich, dass ich die Aussage eines spirituellen Lehrers sofort glaube, der da sagt: Wagner ist ein Wegbereiter des Wassermannzeitalters.

Zurück zum Persönlichen, zu dem Opernsofa. Zurück zu meinem ersten Opernglück. Wobei dieses erste Glück relativ spät kam, ich war schon Mitte dreißig und (getrennt vom Vater meiner Kinder lebend) verwickelt in eben eine private Oper und so ziemlich beschäftigt damit, über meine weitere berufliche und finanzielle Zukunft zu grübeln (was zu der kleinen Buchhandlung führte). Wie immer weiß Gott, was er tut. Denn mit den Göttern, Riesen, Zwergen und Menschen des Jahrhundertringes begegneten mir die Helden meiner Kindheit (schon damals war ich übrigens Brünhild und nicht etwa Kriemhild), mir begegnete die Erinnerung an den hammerwerfenden Siegfried aus dem Nachmittagskino und an die Metrik des Nibelungenliedes, worüber ich in der Germanistik Zwischenprüfung machen musste. Ich begegnete schon auf der allereinfachsten Ebene Stationen meines Lebens.

Aber es war viel mehr, was mich sofort ergriff: Ich begegnete dem All–Gemein-Gültigen des Lebens. Meine Opernleidenschaft begann mit dem umfangreichsten Werk der Operngeschichte: vier Abende trägt uns dieses Bühnengeschehen durch Welt- und Seelengeschehen von Anfang bis Ende.

Nun, das erledigt sich nicht einfach so. Also erholte ich mich zwischendurch mit anderen Meistern und Werken, fing an, ins Kieler Opernhaus zu laufen, eroberte vor allem Mozart, Verdi, Strauss (bewegte mich also in bewährtem Repertoire) und baute mein Opernkino aus, meist Sängerinnen und Sängern auf der Spur: der Traviatafilm mit der Stratas führte zu ihrer Salome (absolut kultig!), Waltraud Meiers Isolde zu ihrer Eboli, Thomas Hampsons Rodrigo zu seinem Mandryka . Ich zeichnete auf, was das Fernsehen hergab und kann aus den Cd’s Türme stapeln.

Ich saß bei Freund Jürgen mit seinem Liebsten im weißen Leder, rauchte Zigarillo, nippte Grappa und hörte zig Varianten vom Tristanvorspiel. Ich lernte die Qualität der historischen Aufnahmen schätzen. Ich zelebrierte mit Opernfreundin Angelika Callas rauf und runter.

Ich eroberte alle großen Wagneropern von Tannhäuser bis Parsifal.

Bis auf die Meistersinger. Die fand ich langweilig.

Bis jetzt. Denn wenn ich diese Gedanken „Meisterstunden auf dem Opernsofa“ nenne, ist es eine Hommage an eine Inszenierung, die mir diese Oper mitten ins Herz trägt. Die mich begreifen lässt, was es in aller Tiefe bedeutet, das Leben zu meistern. Dafür musste ich erst so alt werden, wie ich jetzt alt bin. Dafür musste ich all die wunderbaren Opernerfahrungen gemacht haben. Dafür musste ich um die Fragen wissen, die uns über uns hinaustragen.

Darum kann und möchte ich jetzt beginnen, mir schreibend diese Erfahrungen zu ordnen.
Fange ich am Ende an:

Mit den Meistersingern



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Meike Lalowski

Meike Lalowski

geboren 1956

Aura Soma Beraterin

Geschäftsführung der
Wiker Buchhandlung
in Kiel

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